Beitrag der Medizintechnik-Industrie zu Qualität und Patientennutzen im Gesundheitswesen
Die Medizintechnik-Branche sieht sich zunehmend steigendem Kostendruck und gleichzeitig wachsenden Herausforderungen ausgesetzt. So werden zur Qualitätssteigerung immer mehr messbare Qualitätsdaten verlangt. Höhere Evidenz ist durch umfangreiche Studien und Registerdaten nachzuweisen. Der regulatorische Aufwand wird durch die neue europäische und schweizerische Medizintechnik-Regulierung substanziell erhöht. Das Verlangen nach erhöhter Patienten- und optimaler Versorgungssicherheit nimmt stetig zu.
Um dem gestiegenen Kostendruck und den wachsenden Herausforderungen im Gesundheitswesen in der Schweiz entgegenzutreten, setzt sich der Verband als Vertreter der Schweizer Medizintechnik-Industrie aktiv für bessere Qualität und höheren Patientennutzen bei gleichbleibenden oder tieferen Kosten ein. Dies entspricht dem Konzept von wertbasierender Gesundheitsversorgung (Value Based Health Care)1 gemäss Michael Porter2. Aufgrund des übergeordneten Prinzips von Value Based Health Care ist das Gesundheitswesen neu zu definieren. Der «Wert» wird durch das Verhältnis von Behandlungsergebnissen (Outcomes), die für den Patienten relevant sind, zu den entsprechenden Kosten definiert.
Das Ziel von Value Based Health Care ist nicht die Minimierung der Kosten per se, sondern die Maximierung von Nutzen. Dieser Nutzen definiert sich als «Gesundheitszustand» in Relation zu den hierfür erforderlichen Aufwendungen («Kosten»). Entscheidend ist dabei der wahrgenommene Nutzen, der von Arzt zu Patient aber auch zwischen Patienten variieren kann.
Die Patienten werden bei Value Based Health Care viel aktiver in die Behandlung involviert, ihnen wird mehr Verantwortung am Gesundungsprozess übertragen. Der erfolgreiche Einsatz von Value Based Health Care verlangt eine enge, sektorübergreifende Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen und eine Betrachtung der Gesamtkosten über den ganzen Patientenpfad hinweg. Nur so ist es möglich, alle Geschehnisse im Zusammenhang mit einer Erkrankung bei einem Patienten überhaupt abbilden zu können. Gestützt wird Value Based Health Care auf die Erfassung und Analyse einer Vielzahl an Qualitätsindikatoren, welche den Gesundheitszustand des Patienten beeinflussen können. Mittels detaillierter und standardisierter Fragebögen wird der wahrgenommene Gesundheitszustand des Patienten auf verschiedenen Ebenen und zu verschiedenen Zeitpunkten gemessen. So können auch langfristige Entwicklungen oder Konsequenzen im Zusammenhang mit einer Behandlung, die beispielsweise bereits mehrere Jahre zurückliegt, erfasst und für künftige Behandlungen berücksichtigt werden. Durch die Analyse der Ergebnisdaten werden die bewährten Verfahren identifiziert und entsprechend als «state-of-the-art»-Verfahren verbreitet. Ziel ist die Reduktion von «ineffizienten» Behandlungsverfahren und letztendlich die Verbesserung der Gesundheit.
Bei der Umsetzung dieser Prinzipien stützt sich Swiss Medtech auf folgende strategische Pfeiler:
Qualitativ hochstehende Produkte
Swiss Medtech setzt sich für eine qualitativ hochwertige und sichere Medizintechnik ein. Die Gewährleistung der sicheren Anwendung von Medizinprodukten und folglich hoher Behandlungsqualität ist nur mit spezifischen Serviceleistungen und zu lokalen Konditionen möglich. Hersteller und Vertriebspartner übernehmen die regulatorische Verantwortung des Inverkehrbringers, wie etwa die Sicherstellung der Produktnachverfolgbarkeit sowie entsprechende Serviceleistungen bei Vorkommnissen, wie etwa dem zeitnahen Ersatz von Produkten, die der Patientensicherheit und Entlastung der Anwender dienen.
Die Patientensicherheit wird durch die neue Medizinprodukteregulierung (MDR – Medical Device Regulation bzw. revidierte MepV – Medizinprodukteverordnung und KlinV-Mep – Verordnung über klinische Versuche mit Medizinprodukten), die ab Mai 2020 in der Schweiz und der EU gilt, weiter erhöht. Sie verschärft die Anforderungen an die Marktzulassung sowie an die langfristige Marktbeobachtung (Post Market Surveillance) und nimmt die Akteure entlang der Lieferkette stärker in die Pflicht.
Messbare Qualitätsdaten werden immer wichtiger
Die Industrie unterstützt verschiedene qualitätsfördernde Anstrengungen, so zum Beispiel ein Register im rhythmologischen Bereich https://www.pacemaker.ch/de/default.asp. Swiss Medtech ist eines der Gründungsmitglieder von SIRIS (Schweizerisches Implantatregister/Registre des Implants Suisse https://siris.memdoc.org/) und unterstützt in jeder Form die Qualität der Implantate ihrer angeschlossenen Firmen in der Herstellung und auch in der Verwendung. Mit dem ANQ (Nationaler Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken) – Obligatorium zur Erfassung in den Kliniken, ist SIRIS ein ausgezeichnetes Frühwarnsystem, das aber auch über die Langzeitbeobachtung der Reoperationsraten der implantierten Systeme einen wertvollen Beitrag zu einer hochstehenden Gesundheitsversorgung leistet. Durch die Stiftungsform, mit Stiftungsrats-Einsitz von allen relevanten Stakeholdern inklusive H+ (Nationaler Spitzenverband der öffentlichen und privaten Schweizer Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen), Swiss Orthopaedics (Schweizerische Gesellschaft für Orthopädie und Traumotologie), Santésuisse (Branchenorganisation der Schweizer Krankenversicherer im Bereich der sozialen Krankenversicherung) und Swiss Medtech ist es proaktiv gelungen, eine auf privater Initiative basierende Qualitätsplattform zu erstellen.
Versorgungssicherheit
Die Ad-hoc-Lieferung dringend benötigter Produkte und das à jour Halten der Konsignationslager stellt sicher, dass die Patienten schnellstmöglich versorgt werden. Die Medizintechnik-Unternehmen setzen sich dafür ein, ein komplettes und breites Portfolio zur Verfügung zu stellen, selbst wenn dies eine hohe Bindung an Kapital und regulatorische Arbeit mit sich bringt.
Der Verband unterstützt das schweizerische liberale Gesundheitssystem mit dem Ziel, die hohe Versorgungsqualität zu erhalten und einen unbürokratischen Zugang zu innovativen Behandlungsmethoden zu ermöglichen.
Innovationstreiber
Die Schweizer Medizintechnik-Branche ist eine tragende Säule der Schweizer Volkswirtschaft. Mit rund 1’350 Unternehmen und über 50’000 Mitarbeitenden trägt sie bei einem Umsatz von CHF 14.1 Mrd. rund 2.2 % zum BIP und rund 4 % zu den gesamten Schweizer Exporten bei. Die Schweiz ist der viertgrösste Exporteur von Medizinprodukten in Europa. In der Schweiz tätige Medizintechnik-Unternehmen investieren durchschnittlich 10% ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung und zahlreiche internationale Unternehmen haben globale Niederlassungen und Produktionsstätten in der Schweiz etabliert.
Viel Innovation kommt aus der Schweiz, weil die Schweiz nicht nur durch die vorteilhaften Rahmenbedingungen ein anziehender Standort für Forschung und Entwicklung als Werkplatz ist, sondern auch einen attraktiven Absatzmarkt darstellt. Rasche Einführung von Innovationen in der Schweiz ist für die Medizintechnik-Branche von grosser Bedeutung, dank dem hohen Anspruch an Qualität der Patienten und der Leistungserbringer, den wichtigen Meinungsbildern aus Forschung und Bildung und günstigen Marktbedingungen. In diesem Sinne engagiert sich der Verband für die Weiterführung und den Ausbau von attraktiven und innovationsfördernden Rahmenbedingungen zur Förderung des Werk- und Forschungsplatzes Schweiz, für faire Preise und für den Abbau unnützer sowie kostspieliger Regularien.
Für einen umfassenden Erfolg von Value Based Health Care im Schweizer Gesundheitswesen fehlen jedoch noch unterstützende Rahmenbedingungen wie:
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Patienten in den Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung stellen und durch Datentransparenz zu einem mündigen Teilhaber seines eigenen Genesungsprozesses zu machen
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Einheitliche Finanzierung von Gesundheitsleistungen (sowohl stationär wie ambulant, Krankheit, Invalidität und/oder Unfall), die eine Gesamtkostenbetrachtung entlang des Patientenpfades erlauben
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Umfassende Qualitätsmessung entlang des gesamten Patientenpfades, um sowohl kurz- wie langfristige Ergebnisse evaluieren zu können
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Schaffung von Anreizen für die Qualitätsbestrebungen von Leistungserbringern
Swiss Medtech fordert die Entscheidungsträger und Marktteilnehmer im Schweizer Gesundheitswesen auf, sich für Value Based Health Care fördernde Rahmenbedingungen einzusetzen und die Patienten in den Mittelpunkt zu stellen.
1 Wir verstehen unter dem Begriff auch «Outcome Based Payment», «Pay for Performance» und ähnliche Modelle
2 Michael Porter ist ein US-amerikanischer Ökonom und Universitätsprofessor für Wirtschaftswissenschaft am Institute for Strategy and Competitiveness an der Harvard Business School. Er gilt als einer der führenden Managementtheoretiker. In mehreren Rankings wurde er zu einem der einflussreichsten Managementdenker gewählt.
Porter, M.E. Teisberg, E. (2006). Redefining Health Care: Creating Value-Based Competition on Results. Harvard Business Publishing