Discours d'ouverture de la conférence du 19 octobre 2021 à Berne par le Dr Beat Vonlanthen, président de Swiss Medtech
Sehr geehrte Damen und Herren,
Als Präsident des Industrieverbandes Swiss Medtech begrüsse ich Sie zur diesjährigen nationalen MDR- & IVDR-Konferenz. Ich heisse Sie hier auf dem Bernexpo-Gelände ganz herzlich willkommen.
Gleichzeitig danke ich Ihnen für Ihr Interesse und gratuliere ich Ihnen zu Ihrer beispielhaften Reaktivität. Denn zahlreiche Ihrer Kolleginnen und Kollegen, die auch noch kommen wollten, haben es verpasst, sich unter den ersten 500 Teilnehmenden einzureihen.
Das grosse Interesse an dieser Veranstaltung kommt nicht von ungefähr. Unsere Wirtschaftsbranche steht seit Monaten unter immensem Druck. Seit langer Zeit bewegen wir uns wie auf Eiern. Rechtssicherheit ist für die Medizintechnik-Unternehmen seit mehr als zwei Jahren zu einem Fremdwort geworden. Der heutige Kongress bietet Ihnen als Vertreterinnen und Vertreter einer der innovativsten und wachstumsstärksten Schweizer Wirtschaftsbranchen die Chance, sich aus erster Hand über den Stand der Arbeiten bei der Umsetzung der neuen Regelungen über Medizinprodukte orientieren zu lassen und gleichzeitig mit Branchenvertreterinnen und -vertretern einen konstruktiven Gedankenaustausch zu pflegen und Ihre Sorgen und Anliegen offen zu kommunizieren.
Lassen Sie mich einleitend kurz und prägnant vier kritische Punkte hervorheben. Es scheint mir dabei wichtig zu sein, Klartext zu sprechen.
Erstens: Die Drittstaatenregelung ist eine hürdenreiche Herausforderung für die Schweizer Medtech-Unternehmen
Ist die Schweizer Medizintechnologiebranche das Bauernopfer der Politik? Wir bekommen nämlich den Abbruch der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU als erster Wirtschaftsbereich schmerzhaft zu spüren.
Seit dem 26. Mai 2021 sind wir vom freien Warenverkehr mit der EU ausgeschlossen. Wo vor dem 26. Mai 2021 eine freie Bahn war, müssen wir nun teils grosse Hürden überspringen, um zum Ziel zu gelangen. Diese Bürokratie bekommen unsere Unternehmen tagtäglich zu spüren. Wir sind zum Spielball der Auseinandersetzungen der Schweiz und der EU geworden. Vor dem Verhandlungsabbruch haben wir mit aller Kraft und unterstützt durch mannigfache Partner gefordert, dass das MRA so oder so nachgeführt werde. Am Ende mussten wir bitter feststellen, dass die politischen Akteure uns zwar zugehört haben, die konkreten Schlussfolgerungen in der Praxis dann aber nicht gezogen wurden. Sowohl die EU-Kommission als auch der Bundesrat wollten die Anliegen der Medtech-Industrie beim InstA-Thema nicht in die Waagschale werfen und haben die grossen Probleme der Branche als Kollateralschaden in Kauf genommen.
Zum Glück hat die Medtech-Branche vorbildhaft reagiert. Sie ist dem Aufruf von Swiss Medtech gefolgt und hat sich gut vorbereitet. Die letzten zwei Jahre haben den Verband und seine Mitglieder extrem gefordert und von ihnen enorm viel abverlangt. Die Branche hat sich mit beispiellosem Einsatz so gut wie möglich auf die erhöhten Anforderungen für den Warenexport in die EU vorbereitet. Mit Zufriedenheit stelle ich fest: Die Schweizer Medtech-Branche hat sich vor dem Hintergrund dieser schwierigen Umstände gut aufgestellt für den Warenexport in die EU. Dennoch: Wir wollen nichts beschönigen, denn:
Zweitens: Die Politik schiesst sich ins eigene Knie
Die wirtschaftlichen Belastungen unserer Industrie sind gross. Es geht uns aber nicht ums Jammern. Die Schweizer Medizintechnik-Branche ist eine Industrie, die es gewohnt ist, Lösungen zu finden. Und die zahlreichen Unternehmen haben in antizipativer Art und Weise die ungünstige Lage als Drittstaat-Unternehmen erfasst und sofort Massnahmen getroffen und ihren EU-Bevollmächtigten bestimmt, damit sie ihre Produkte ohne Unterbruch in den EU-Raum exportieren können.
Volkswirtschaftlich wird diese Situation à la longue aber weitreichende negative Auswirkungen haben auf den Wirtschafts- und Innovationsstandort Schweiz. Die sehr dynamische Forschungslandschaft und die beispielhafte Start-Up-Kultur unserer Branche wird angesichts dieser sehr einschränkenden Rahmenbedingungen einen fatalen Dämpfer erhalten.
Problematisch ist auch der Ausschluss der Schweiz aus der EUDAMED-Datenbank durch die EU. Diese heikle Massnahme torpediert das Gesamtinteresse einer hohen Sicherheit der Medizinprodukte.
Am schlimmsten aber ist die Gefährdung der schweizerischen Versorgungssicherheit. Es bahnt sich ein hausgemachtes Versorgungsproblem an. Und hier müssen wir ohne Scheuklappen das Kind beim Namen nennen: Die Schweiz hat das Problem selber kreiert, denn mit der nationalen Medizinprodukteverordnung wurden zu hohe Hürden für ausländische Hersteller aufgestellt. Damit gefährdet die Schweiz die Versorgung ihrer eigenen Bevölkerung. Noch ist das nicht erkennbar. Experten sagen aber voraus, dass es ab der zweiten Hälfte des nächsten Jahres breit spürbare Versorgungslücken geben wird. Wir rechnen damit, dass mittel- bis langfristig jedes achte Produkt im Schweizer Gesundheitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Jedes achte Produkt: das heisst rund 36’000 Produkte, die in Zukunft fehlen und Operationen in den Schweizer Spitälern verzögern oder verunmöglichen werden. Das scheint mir der effektive Skandal der heutigen Situation zu sein. Sind sich die Verantwortlichen überhaupt der fatalen Konsequenzen dieser Entscheide bewusst?!
Drittens: Es ist noch nicht aller Tage Abend: Lasst uns weiterkämpfen!
Ich habe vorhin gesagt: Die Schweizer Medtech-Industrie ist eine Lösungsfinderin. Es geht uns nicht darum, Sündenböcke zu benennen. Aber in konstruktiver Art ersuchen wir die zuständigen Stellen nun, quasi fünf vor zwölf, die unabdingbaren Korrekturen konsequent vorzunehmen. Es geht um die folgenden beiden Forderungen:
- → Forderung Nummer 1: Altrechtliche Produkte (MDD-Produkte) müssen die Übergangsfrist bis Ende 2024 erhalten
Die bestehende Rechtsunsicherheit ist für unsere Unternehmen inakzeptabel. Wir sind daher dem Bundesrat und namentlich dem Departement von Bundesrat Parmelin, speziell dem Seco, sehr dankbar, im Rahmen des gemischten Ausschusses eine Lösung zu suchen und auch zu finden. Für den Export und den Import dieser altrechtlichen Produkte ist diese rasche Bestätigung der Rechtslage eine absolut dringliche Forderung.
- → Forderung Nummer 2: Die Medizinprodukteverordnung muss vor Ende Jahr revidiert werden
Der Bundesrat und namentlich das Departement von Gesundheitsminister Berset, besonders das BAG werden aufgefordert, die MepV so anzupassen, dass die Versorgung der eigenen Bevölkerung sichergestellt werden kann. Das sich anbahnende Problem muss ernst genommen werden. Denn wir stellen fest: in der Realität funktioniert die Medizinprodukteverordnung nicht. Wir fordern wenige, aber wesentliche Anpassungen wie zum Beispiel:
– keine Umetikettierung für MDD-Produkte;
– Verzicht auf ein physisches Labeling bei MDR-Produkten;
Viertens: Wo ein Wille ist, da ist ein Weg
Die jüngste Geschichte betreffend die Umsetzung der neuen Sicherheitsstandards für Medizinprodukte stellt einen politisch induzierten Leidensweg dar und trifft die Falschen, nämlich zum einen die Med-tech-Unternehmen – welche in den letzten Jahren unter Beweis gestellt haben, dass sie willens und in der Lage sind, die hohen Qualitätsanforderungen zu erfüllen – und zum anderen die Patientinnen und Patienten. Der Patient muss immer im Zentrum des Interesses liegen. Und politische Grabenkämpfe rund um die bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU sind Gift für das Wohl der Patienten.
Dass sich etwas bewegt, zeigt die Umorientierung der EU-Kommission. Als Lichtblick darf nämlich der letzte Woche von der EU-Kommission angekündigte Vorschlag interpretiert werden, die neuen Regeln zu In-Vitro-Diagnostika nur schrittweise einzuführen, also die nötige Zeit mit entsprechenden Übergangsfristen nach und nach bis 2027 zu gewähren, um den Umbau korrekt zu bewerkstelligen.
Für unsere Branche heisst es auch, angesichts der teils verfahrenen politischen Situation zu anderen Mitteln als dem reinen Lobbying zu greifen. Unter Berücksichtigung des rechtsstaatlichen Rahmens müssen wir wohl vermehrt auch die Möglichkeit prüfen, unsere Rechte gerichtlich durchzusetzen und die Einhaltung des rechtlichen Rahmens über den Weg von Klagen einzufordern.
Nicht zuletzt fordern wir im Interesse eines offenen Wirtschaftens, neben den Produkten mit CE-Labels zunehmend auch anderweitig registrierte Produkte (FDA-, japanische, australische oder andere) in der Schweiz zuzulassen. Durch entsprechende Motionen von Ständerat Damian Müller und Nationalrat Albert Rösti ist die diesbezügliche Diskussion im Parlament bereits aufgegleist.
Schluss
Mit dieser kurzen und offenen Standortanalyse hoffe ich, den dynamischen Startschuss für eine angeregte Tagung geben zu können. Ich wünsche Ihnen nun interessante Diskussionen und einen gehaltvollen Tag.
Es ist mir ein Anliegen, einen ganz herzlichen Dank an Daniel Delfosse und sein Team auszusprechen für die perfekte Vorbereitung und Durchführung des heutigen Kongresses!
Nun gebe ich aber unverzüglich das Wort an unseren Swiss Medtech-Geschäftsleiter Peter Biedermann weiter, der den ersten Block moderiert.
Herzlichen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!