
Standpunkt des Direktors
Ein kluger Entscheid für Patientinnen und Patienten, Innovation und Standortattraktivität
Warum die Schweiz FDA-zertifizierte Medizinprodukte zulassen sollte
Die Schweiz hat die Chance, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen. Die Versorgung wird gestärkt, Innovationen gefördert, der Standort gesichert. Der Bundesrat sollte diese Gelegenheit nutzen – und zeigen, dass gesundheitspolitische Verantwortung mit unternehmerischer Weitsicht vereinbar ist.
Die Schweiz ist ein führender Standort für medizintechnische Innovation – und sie steht vor einer wichtigen Weichenstellung: Im Laufe des zweiten Quartals wird der Bundesrat darüber entscheiden, wie und mit welchem Tempo er die vom Parlament überwiesene Motion Müller (20.3211) umsetzt. Diese fordert, dass in der Schweiz künftig auch Medizinprodukte mit FDA-Zulassung erlaubt sind. Die FDA (Food and Drug Administration) ist die US-amerikanische Zulassungsbehörde und gilt weltweit als eine der strengsten und kompetentesten Instanzen im Bereich der Medizinprodukte. Ein Produkt, das dort eine Bewilligung erhält, hat ein aufwändiges Prüfverfahren hinter sich. Warum sollte es also nicht auch der Schweizer Bevölkerung zur Verfügung stehen? Der Zeitpunkt für eine solche Öffnung könnte nicht dringender sein. Die Vorteile für unser Gesundheitswesen, für die Patientinnen und Patienten sowie für den Wirtschaftsstandort Schweiz liegen auf der Hand.
Versorgung sichern – jetzt handeln
Seit Inkrafttreten der EU-Verordnung über Medizinprodukte (MDR) mehren sich in der Schweiz die Lieferengpässe. Bewährte Produkte verschwinden vom Markt, innovative Nachfolger lassen auf sich warten. Viele Ärztinnen und Ärzte berichten, dass sie ihren Patientinnen und Patienten nicht mehr die bestmögliche Behandlung anbieten können. Der Zugang zu sicher geprüften Produkten mit FDA-Zulassung – etwa aus den USA – würde die Versorgungssicherheit unmittelbar verbessern. Diese Öffnung ist nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch ethisch geboten.
Innovationen ermöglichen statt verhindern
Es ist ein Paradox, dass in der Schweiz entwickelte und produzierte Medizinprodukte dank FDA-Zulassung erfolgreich auf den US-Markt gelangen – aber nicht zu unseren eigenen Patientinnen und Patienten. Der Grund: Die europäische Zulassung ist oft zu komplex, zu langwierig oder wirtschaftlich unattraktiv. Ein Beispiel: ein Hightech-Wundpflaster für Diabetes-Patienten, das in der Schweiz hergestellt und in den USA seit Jahren breit eingesetzt wird, bei uns aber nicht verfügbar ist. Der Verzicht auf den Zugang zu diesen Innovationen kostet nicht nur Lebensqualität, sondern auch Effizienz im Gesundheitssystem. Die Motion Müller ermöglicht einen zeitgemässen Zugang zu internationalen Innovationen – zum Nutzen aller.
Gerade kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) aus der Medizintechnik sind von den hohen regulatorischen Hürden besonders betroffen. Viele innovative Produkte scheitern nicht an der Sicherheit – sondern am Aufwand der EU-Zulassung. Die Möglichkeit, über eine FDA-Zertifizierung einen alternativen Zugangsweg zu eröffnen, schafft dringend benötigte Flexibilität.
Standortvorteile nutzen und stärken
Mit der Zulassung von FDA-zertifizierten Produkten steigt die Attraktivität der Schweiz als Medtech-Hub. Unternehmen aus den USA, Indien, China oder Australien könnten die Schweiz künftig nicht nur wegen ihrer Stabilität, ihres Steuersystems oder ihrer exzellenten Fachkräfte wählen – sondern auch als Brücke nach Europa. Gerade in diesen Ländern erfolgt die Zulassung häufig zuerst über die FDA, bevor europäische Märkte erschlossen werden. Die Schweiz wird so zum bevorzugten Markt für medizinische Innovationen. Dies schafft hochwertige Arbeitsplätze und stärkt das Steuersubstrat.
Die weltweite Medtech-Branche steht vor einem Umbruch. Die Schweiz kann sich in dieser Phase gezielt als agiler und innovationsfreundlicher Standort positionieren. Wer jetzt handelt, zieht Investitionen an – wer zögert, wird vom Markt abgehängt.
Vertrauen in die transatlantische Zusammenarbeit
Hinzu kommt die geopolitische Dimension: In einem Umfeld wachsender regulatorischer Komplexität und internationaler Spannungen gewinnt die enge Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern an Bedeutung. Die Anerkennung von FDA-Zertifizierungen wäre ein positives Zeichen gegenüber den USA – einem der wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Gleichzeitig wahrt ein solcher Schritt die Balance gegenüber Europa, denn die Umsetzung über eine Verordnung bleibt innenpolitisch und diplomatisch klug austariert. Die Balance bleibt gewahrt, der Handlungsspielraum vergrössert sich.
Zudem sendet die Schweiz ein Signal an andere Länder, die sich im Spannungsfeld zwischen regulatorischer Überlastung und Innovationsbedarf befinden. Ein solcher Schritt kann international Schule machen – mit der Schweiz als Vorbild für eine ausgewogene und verantwortungsvolle Lösung.
Der pragmatische Weg: die Verordnung
Die Motion Müller kann schnell und effizient über eine Verordnung umgesetzt werden. Das reduziert die politische Komplexität und minimiert das Risiko einer fehlinterpretierten Belastung des Verhältnisses zur EU. Der Bundesrat hat die Möglichkeit, pragmatisch zu handeln und Führungsstärke zu zeigen. Die Schweizer Rechtsordnung erlaubt es, im Interesse der Versorgungssicherheit rasch zu handeln. Dabei können klare Kriterien für die Zulassung von FDA-zertifizierten Produkten festgelegt werden – etwa ein nationales Notifizierungsverfahren. Die Sicherheit bleibt gewährleistet, die Prozesse werden aber agiler.
Ein Entscheid mit Signalwirkung
Ein Ja zur Motion Müller bedeutet mehr Versorgungssicherheit, mehr Innovationskraft und mehr Standortattraktivität – ohne unnötige Risiken. Der Bundesrat sollte diese Chance nutzen und ein deutliches Zeichen setzen: Für die Patientinnen und Patienten. Für die Innovationskraft der Schweiz. Und für einen starken, zukunftsfähigen Medtech-Standort.
Jetzt ist nicht die Zeit für regulatorisches Zögern, sondern für mutige, zukunftsgerichtete Entscheidungen. Die Schweiz hat die Chance, eine Vorreiterrolle einzunehmen – zum Wohl der Bevölkerung und als Impulsgeberin für eine innovationsfreundliche Gesundheitspolitik in Europa.
Swiss Medtech vertritt als Branchenverband der Schweizer Medizintechnik rund 800 Mitglieder. Mit 71’700 Beschäftigten und einem Beitrag von 11,9 Prozent zur positiven Handelsbilanz der Schweiz ist die Medizintechnik eine volkswirtschaftlich bedeutende Branche. Swiss Medtech tritt ein für ein Umfeld, in welchem die Medizintechnik Spitzenleistungen zugunsten einer erstklassigen medizinischen Versorgung erbringen kann.