Swiss Medtech Kommentar
Schweizer Parlament darf sich bestärkt fühlen
- Swiss Medtech begrüsst, dass die Probleme bei der Umsetzung der MDR und die damit verbundenen negativen Konsequenzen auf die Patientenversorgung und -sicherheit mittlerweile auf der EU-Agenda stehen. Es ist ein Eingeständnis der EU, dass das System nicht funktionstauglich ist. Die Medtech-Branche – in der Schweiz und in ganz Europa – warnt schon seit Jahren. Zunehmend auch die Gesundheitsakteure. Es ist mehr als fünf vor zwölf. Es geht aktuell nur noch um Schadensbegrenzung.
- Der Entscheid der EU-Kommission, die MDR rasch punktuell so zu ändern, dass die Überführung der Bestandsprodukte (MDD-Produkte) in MDR-Produkte gelingen könnte, ist sinnvoll. Damit wird die drohende Versorgungsproblematik mit Blick auf den 26. Mai 2024 etwas entschärft. Eine nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit Medizinprodukten ist damit aber bei Weitem nicht sichergestellt. Nachhaltigkeit umfasst die Verfügbarkeit, Vielfalt und Qualität von bestehenden und neuen Medizinprodukten.
- Die EU versucht das Feuer im Dach zu löschen. Das MDR-System hat indessen grundlegende Schwächen. Diese lassen sich nicht mit punktuellen Änderungen beheben. Das Regelwerk muss grundlegend überarbeitet werden. Die EU will diese konzeptionelle Revision jedoch erst nach einem per EU-Recht geforderten Review im Jahre 2027 an die Hand nehmen. Dies, obwohl die strukturellen Probleme schon heute bekannt sind und das System mit den Benannten Stellen nicht funktioniert.
- Bereits heute hat das Konsequenzen. Die USA haben die EU für Erstzulassungen von Medizinprodukten abgelöst. Immer mehr Unternehmen in Europa und der Schweiz geben einer FDA-Zulassung gegenüber einer CE-Zertifizierung den Vorrang. Diese Verlagerung ist grösstenteils auf die mit der MDR verbundenen (Rechts-)Unsicherheiten sowie die übermässig gestiegenen Anforderungen zurückzuführen. Hinzu kommt, dass die FDA grosse Bemühungen unternommen hat, um den digitalen Trend und den technologischen Fortschritt regulatorisch abzubilden.
- Die Historie spricht für sich: 2017 Inkraftsetzung der MDR mit Geltungsbeginn Mai 2020. Dann im April 2020 Verschiebung des Geltungsbeginns um ein Jahr auf Mai 2021 mit Übergangsfrist Mai 2024. Und jetzt Verschiebung der Übergangsfristen auf Mai 2027 bzw. Mai 2028. Die EU wird im Jahr 2027 eine Evaluation durchführen müssen und dann gegebenenfalls eine grundlegende Revision in Angriff nehmen. Wenn man bedenkt, dass die Erarbeitung der MDR zehn Jahre gedauert hat, dürfte eine konzeptionelle Revision mindestens vier Jahre dauern.
- Selbstverständlich ist ein funktionierendes MDR-System für die Schweiz nach wie vor zentral – als Land mitten in Europa und mit der EU als wichtigster Handelspartnerin. Sich jedoch allein auf das derzeit nicht ordnungsgemäss funktionierende EU-System zu verlassen, wäre angesichts der Probleme unverantwortlich.
- Die Schweiz darf sich in ihrem Vorhaben bestärkt fühlen, nebst CE-gekennzeichneten Medizinprodukten auch solche mit einer FDA-Zulassung anzuerkennen. Ende November 2022 hat das Schweizer Parlament dem Bundesrat einen entsprechenden Auftrag erteilt. Das war eine weitsichtige Entscheidung der Politik. Angesicht der Zeiträume und Unsicherheiten in Bezug auf die grundlegende MDR-Revision ist die zügige und rasche Umsetzung der Motion 20.3211 von Ständerat Damian Müller «Für mehr Handlungsspielraum bei der Beschaffung von Medizinprodukten zur Versorgung der Schweizer Bevölkerung» umso wichtiger. Europa hat sich mit der MDR in eine Situation manövriert, die für die Medizintechnikindustrie, die Patientenversorgung und für den Innovationsstandort Europa nachteilig ist. Für die Schweiz kann die Umsetzung der Motion ein Weg aus dieser schwierigen Situation sein.